11.07.2014

Wenn die Berge rufen


Kleine Begebenheiten ins Riesenhafte aufzublasen, nur um etwas zu berichten zu haben, ist seit einigen Jahren das Markenzeichen dieser kleinen Seite. Umso verblüffter bin ich, dass ich nach mehreren Tausend Motorradkilometern durch ein paar wirklich schöne Teile Mitteleuropas, die ich in den letzten Wochen absolvieren durfte, erst jetzt dazu komme, darüber zu schreiben. Euch ist's wahrscheinlich egal, aber das ist OK.
Das Wochenende nach Fronleichnam ("Happy Cadaver", hihi) ist traditionell der Termin für das MZ-Skorpion-Treffen, das fast schon ebenso traditionell im idyllischen Gasthof Teichmühle in Leubnitz bei Plauen stattfindet. In diesem Jahr konnte ich endlich einmal wieder mit meiner Skorpion Tour dort anrücken. Praktischerweise ließ sich dieser Pflichttermin mit einer weiteren Tour verbinden, die ich mit zwei Kollegen aus dem Verlag unternehmen "musste", um die Routen und Locations der diesjährigen gemeinsamen Ausfahrt festzulegen. Diese führt nämlich ins Erzgebirge sowie ins sogenannte Westböhmische Bäderdreieck, der Gegend südwestlich von Karlovy Vary.
Quasi Terrovy Incognitovy, jedenfalls für uns.
Was uns dort widerfuhr, lest ihr am besten hier nach, lebendig und mitreißend geschrieben von "Bike-und-Business"-Chefredakteur Stephan Maderner. Und hier gleich die dazugehörige Bildergalerie.

Im berühmten Karlsbad war ich bislang nur einmal, als Kind. Erinnern kann ich mich lediglich an den Umstand, dass der Trabant auf der Rückreise einen Kolbenklemmer hatte und wir von zwei Studenten ebenfalls mit einem Trabant wieder in Richtung DDR-Grenze geschleppt wurden. Was man sich halt so merkt...
Für die prachtvolen Fassaden der Kurhäuser und Hotels hatte ich als Ostkind wohl keinen Blick, mutmaßlich waren sie auch unter einer fingerdicken Rußschicht verborgen. Heute hingegen kann man das Stadtbild von Karlovy Vary getrost spektakulär nennen. Und die kleinen Landstraßen südlich der Stadt sind wahrlich eine Spielwiese für Motorradfahrer, perfektes Terrain für die Skorpion.
Am nächsten Tag schwammen wir im Dauerregen auf einer großen Schleife von Oberwiesenthal durch das Osterzgebirge; anfangs der Route folgend, die ich im letzten Jahr bereits mit meinem Bruder gefahren bin, später dann etwas nördlich zurück. Eigentlich bin ich ja nicht weit weg von dort aufgewachsen, aber ich habe trotzdem wieder jede Menge Neues entdeckt, beispielsweise den herrlichen Blick auf Frauenstein mit seiner Burgruine oder die Anfahrt auf das Schloss Rauenstein. Am Abend traf ich nach rund 700 Kilometern in der Skorpionmühle ein.

Nach dem Schlechtwettertreffen im letzten Jahr fanden sich heuer wieder deutlich mehr Leute dort ein, insgesamt vielleicht 20 Maschinen. Vor allem die Brandenburger Fraktion wusste mit äußerst geschmackvoll und hochwertig arrangiertem Material zu überzeugen und gab mir Anregungen mit, wie ich es machen könnte, wenn ich es denn nur könnte. Immerhin: Nachdem ich kürzlich eine Krise hatte und den ganzen Skorpion-Krempel am liebsten verkauft hätte, habe ihr nun wieder richtig Lust auf die Zschopauer Loserkiste.
Nach ziemlich viel Bier und Qualm hatte ich am nächsten Tag (Samstag) gar nicht so richtig viel Lust zum Fahren. Aber das konnte ich natürlich nicht zugeben und drehte doch noch eine Runde durchs Vogtland, immer schön im Windschatten von Jürgens wie üblich top gepflegter Replica. Nachmittags kam mein Bruder vorbei und wir rasten langsam über das Schleizer Dreieck. An den weiteren Verlauf des Abends möchte ich mich hingegen nicht mehr so genau erinnern, es hatte jedenfalls mit Bier, Internetforen und Dialektforschung zu tun und dauerte sehr lange.

Mit der verlockenden Aussicht auf gerade einmal eine einzige Arbeitswoche fuhr ich heim nach Würzburg. Denn es stand gleich das nächste Motorradevent an: eine Woche Urlaub mit meiner Frau in den Alpen. Yeah!
Die Anreise über die B13 zum Hotel in München fand zwar unter Wasser statt, aber immerhin hielten der Louis-Anzug und die Louis-Schuhe (Testmuster) wirklich trocken - eine Erwähnung ist das allemal wert. Von München aus schlugen wir uns zwei Tage später mit Navi-Hilfe in fast gerader Linie nach Sonthofen zum Laden der Firma Held durch (irgendein Ziel muss man nun mal eingeben) wo diverse Motorradausrüstungsgegenstände in unseren Besitz übergingen. Über Füssen mit seinen Königsschlössern fuhren wir in die Hauptstadt der Besatzer (jedenfalls aus fränkischer Sicht) zurück. Einen Tag später starten wir einen weiteren Versuch, diesmal über Bad Tölz, Kochel, die Kesselsbergstraße und den Tegernsee, aber das schlechte Wetter vereitelte echten Fahrgenuss.
Den gab es dafür übergenug während der zweiten Hälfte der Tour. Basisstation war das hübsche Dörfchen Brentonico östlich des Gardasees; dort schlossen wir uns der organisierten Ausfahrt eines Motorradhändlers aus Bad Mergentheim an. Das Schöne für mich: Ich konnte eine neue Gegend kennenlernen und trotzdem einfach stumpf hinterherfahren.

Jeweils rund 250 Kilometer schafften wir an den beiden Fahrtagen, was eine wirklich ernsthafte Tagesaufgabe war. Die Straßen erinnerten in ihrer geringen Breite und dem erheblichem Krümmungsgrad an Korsika, waren aber fast immer erheblich besser asphaltiert. Merkwürdigerweise waren recht wenige andere Motorräder und kaum Autos unterwegs, trotz der Jahreszeit, und das Wetter trumpfte mit Sonnenschein auf, ohne mit übertriebener Hitze zu nerven. Ich weiß gar nicht, was an diesem beiden Tagen hätte noch besser laufen können - es war einfach alles perfekt!
Unterwegs war ich während dieser Woche mit der BMW, und der schwere Bock zeigte sich einmal mehr erstaunlich beweglich auf diesen Spaghettinudelstraßen. Klar hätte ich lieber die Skorpi dort unten gehabt - aber was die BMW ihr voraushat, das zeigte sie auf der Rückfahrt. Weil das Kindchen krank gworden war, gingen wir am Sonntag morgen - ohnehin der letzte Tag - in Rovereto auf die Autobahn und verließen sie erst wieder in Würzburg. Gut sieben Stunden für 650 Kilometer - das mit dem Einzylinder zu machen, hätte mir in der Seele weh getan. Bei der BMW ist's mir egal, die muss das können.

1.200 Kilometer Skorpion im Erzgebirge und 2.400 Kilometer BMW in den Alpen liegen hinter mir. Erst jetzt fällt mir auf, dass die Maschinenwahl schon rein von der Herkunft gar nicht anders ausfallen konnte. Beide Maschine stehen nun vollkommen verdreckt, aber hoffentlich glücklich in der Garage. Ob ich noch zum Putzen komme? Bald schon geht es wieder los: Ende Juli startet die Verlags-Motorradtour, es geht zurück ins Erzgebirge. Ich kann es kaum erwarten.
Hier noch eine Bildergalerie zum Thema.